„Wusch!“ – Upps, was war das denn? Ganz plötzlich und unerwartet wurde ich ziemlich schnittig überholt. Ein kleines blondes Tüti in einem schweren dunklen BMW schoss wie ein Pfeil an mir vorbei. Und schon schwenkte die junge Fahrerin erneut auf die Gegenfahrbahn, um auch das vor mir fahrende Fahrzeug zügig hinter sich zu lassen.
Schade nur, dass auf diesem Abschnitt der Bundesstraße zwischen Georgsheil und Emden ein Überholverbot bei durchgezogener Linie gilt. Ich wünsche der jungen Frau, die es so eilig hatte, eine sichere Ankunft an ihrem Ziel. Sie ist nicht die Einzige, die es auf dieser Strecke bei Tempo 70 nicht aushält. Viele Leute scheinen zu denken, dass die Verkehrsschilder und Fahrbahnmarkierungen für sie nicht gelten oder nach 22 Uhr ihre Verbindlichkeit verlieren.
Regeln sind nicht besonders beliebt. Das gilt nicht nur im Verkehr, sondern in den meisten Belangen. Auch die Zehn Gebote bilden da keine Ausnahme. Sie haben ihren angestammten Platz in der Bibel und im Gesangbuch sie zu finden. Aber sucht jemand danach? Haben sie nicht das Image, etwas altmodisch, überholt und verstaubt zu sein?
Bei uns im Konfirmandenunterricht stehen sie immer noch auf dem Plan. Unsere Jugendlichen erstellen regelmäßig ihr eigenes Ranking, ihre persönliche Hitparade der Gebote. Sie ermitteln, welches Gebot für sie wohl das wichtigste ist. Dabei geht es sehr lebhaft zu. Und das Ergebnis vermittelt einen tiefen Einblick in das, was sie bewegt.
Mit weitem Abstand steht bei den jungen Leuten grundsätzlich das 5. Gebot an der Spitze: „Du sollst nicht töten!“ Angesichts der Kriege und der Nachrichten über furchtbare Gewalttaten, aber auch im Blick auf die Klimakatastrophe oder die Inflation empfinden sie Angst um ihr Leben, aber eben auch um die Grundlagen, die nötig sind, um gut leben zu können.
Auf Platz zwei landet regelmäßig das sechste Gebot: „Du sollst nicht ehebrechen!“ Darin spiegeln sich die Sorgen der Jugendlichen wider um ihre Familien, um ein schönes harmonisches Zuhause. Viele kennen ja das Hin- und Hergerissensein zwischen den Elternteilen und die Loyalitätskonflikte, die sich manchmal daraus ergeben.
Platz drei besetzt das achte Gebot: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider Deinen Nächsten“, das die Mädchen und Jungen ganz klar mit ihren vielfältigen Mobbingerfahrungen zusammen bringen.
Die Jugendlichen spüren während der Diskussion, wie aktuell die alten Regeln sind. Sie merken, dass ihr Sinn darin liegt, uns ein besseres, gerechteres und harmonischeres Zusammenleben zu ermöglichen.
So wie das Überholverbot niemanden schikanieren und einschränken, sondern Leben schützen und retten will, ist das auch mit den Zehn Geboten. Der, der sie uns gibt, hat uns selbst das Leben geschenkt und tut alles dafür, dass es sich wunderbar entfalten und erfüllt gelebt werden kann. Er tut uns gut. Amen.