Erntedankfest – in der Kirche ist alles schön geschmückt: Kürbisse, Äpfel, Birnen, Weintrauben, Kartoffeln… Das Ganze sorgsam drapiert auf Stroh. Gott Danke sagen für die Ernte und für alles, womit er uns beschenkt hat, das ist der Sinn des Festtages heute. Doch in diesem Jahr fällt der Dank bei vielen Menschen wahrscheinlich eher verhalten aus. Danken, jetzt? Corona, Klimakrise und der Krieg in der Ukraine überschatten das Fest. Dazu kommen Sorgen, die für die meisten in unserem reichen Land völlig neu sind: Wie werden wir den Winter überstehen? Wird das Gas reichen und das Geld, damit wir nicht frieren müssen? Es sind Gefühle der Verunsicherung und der Angst, die bei vielen gerade den inneren Ton angeben. Doch heute nun hören wir mitten in alledem Worte, die ganz anders klingen: „Dankt dem Herrn, denn er ist gut zu uns, seine Liebe hört niemals auf!“ (Psalm 107,1) Passt irgendwie nicht in unsere krisengeschüttelte Zeit, denke ich beim ersten Hinhören.
– Oder vielleicht ja doch? Passt diese ermunternde Zusage, die in der Bibel übrigens gleich mehrfach zu vernehmen ist, vielleicht gerade jetzt? Brauchen wir sie möglicherweise sogar? Ich merke: Auf der Suche nach dem, wofür ich dankbar sein kann, fällt mir einiges ein: Das frische Brot vom Bäcker, das noch ein bisschen warm ist. Eine schöne Musik. Die Pilze jetzt im Wald. Der Regenbogen vor meinem Fenster. Und natürlich:
Die Menschen, die ich liebhabe und mit denen ich verbunden bin. Nicht zu vergessen auch die vielen, die den Krisen etwas entgegensetzen: Die Geflüchteten helfen, die Fahrrad, Bahn und Bus fahren statt Auto, die weniger Fleisch essen, die Plastik vermeiden, und, und, und… Leute, schön, dass es euch gibt! Und dann der Bibelvers: „Gottes Liebe hört niemals auf“ – was für eine mutmachende Zusage! Irgendwie spüre ich: Das Danken tut mir auch und gerade in diesen schwierigen Zeiten gut. Wahrscheinlich nicht nur zu Erntedank. Ja: Danken, jetzt!
Michael Schilling, Pastor der ev.-luth. St. Petri-Kirchengemeinde Aurich-Oldendorf