Sonntag ist Volkstrauertag. Wie in jedem Jahr am vorletzten Sonntag im Kirchenjahr werden Gedenkfeiern an den Mahnmalen stattfinden. Und obwohl -jedenfalls bei uns- die Beteiligung jedes Jahr geringer wird, sind es wichtige Feiern. Sie erinnern uns daran, dass auch aus unseren Orten, Nachbarschaften, Familien Menschen durch Krieg, Vertreibung und Flucht in ihrem Leben beschnitten worden sind. Entweder ‚damals‘, oder auch heute durch Einsätze der Bundeswehr in Kriegs- und Krisengebieten. Die Feiern am Mahnmal machen uns aber auch bewusst, wie zerbrechlich der Frieden ist – in diesem Jahr wird uns das besonders nahekommen. Wer hätte vor einem Jahr ernsthaft damit gerechnet, dass relativ nahe bei uns jetzt Krieg tobt und Menschen vor ihm fliehen mit allen Folgen, die das jetzt schon hat und womöglich noch haben wird. Darum: so lange wir können, lasst uns den Volkstrauertag als Mahnung zum Frieden wahr- und ernstnehmen!
Darüber hinaus sehe ich noch einen anderen Sinn in diesem Tag: lassen wir uns von ihm fragen, mit wem wir Frieden schließen können, soweit es in unserer Hand liegt! Auch der Unfriede in unserem täglichen Lebensumfeld belastet, beschneidet Menschen an Entfaltungsmöglichkeiten, raubt Lebensfreude. Darum: wem können wir, wem kann ich die Hand reichen? Wem kann ich das befreiende Wort der Vergebung zusprechen? Wo wir das wagen, werden wir merken: nicht nur der andere wird davon etwas haben, wir selber auch!
Vielleicht sogar in erster Linie. „Vergeben“ heißt: ich verzichte darauf, jemand anderem noch länger etwas ‚nach-zu-tragen‘! Und der erste, der dadurch entlastet wird, bin ich selber: ich muss diese Last nicht länger tragen und dadurch wird es mir besser gehen. Ob wir dem Volkstrauertag 2022 dazu eine Chance geben?
Hermann Reimer, Pastor in Spetzerfehn