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8. Mai Und siehe, es war sehr gut

Heute Morgen saß mir ein alter Mann gegenüber. Sein Rücken war gebeugt. Wir tranken miteinander Kaffee. Seine Hände hielten zitternd die Tasse. Ich fragte ihn, wie es ihm ging. Er sagte mit etwas gebrochener Stimme leise zu mir: „Weißt Du, so habe ich mir das Altwerden nicht vorgestellt. Ich wollte es gern anders haben. Nun sitze ich hier und kann nichts mehr.“ Seine Traurigkeit steckte mich an. Mir fehlten die Worte, die ich vielleicht hätte finden können, um ihn zu trösten. Manchmal gibt es keine Worte. Im Gegenteil: manchmal werden – vielleicht aus Verlegenheit – unbedachte Worte gesagt, die den anderen nicht ernstnehmen. Es ist schwer, das Leid eines Menschen auszuhalten. Wir beide schwiegen eine Weile. Dann sah er mich an, lächelte und freute sich, dass wir beisammen waren und ich keine Eile hatte.

Wie ist es mit unserem Leben? Wann ist es für uns wertvoll? Wann wertlos? Ist es nur lebenswert, wenn alles gut und schön ist? Ein erschreckender Gedanke.

In dem zauberhaften Buch „Oskar und die Dame in Rosa“ (Eric-Emmanuel Schmitt) schreibt ein zehnjähriger Junge, der weiß, dass er bald an seinem Krebs sterben wird, dass das Leben ein komisches Geschenk ist: „Am Anfang überschätzt man dieses Geschenk, man glaubt, man lebt ewig. Später unterschätzt man es, man findet es kümmerlich, zu kurz, am liebsten würde man es wegschmeißen.“ Oskar weiß, dass unser Leben zerbrechlich, verletzlich, vergänglich ist. So sind wir von Gott geschaffen. Und als Gott am Ende seiner Schöpfung alles ansah, sagte er: „Und siehe, es war sehr gut.“ (1. Mose 1,31)

Unser Leben ist jeden Tag neu kostbares und wundervolles Geschenk und Herausforderung gleichzeitig. Ob an glücklichen, ‚gesunden‘, aufregenden Tagen oder an traurigen, ‚kranken‘ und leidvollen Tagen… es ist immer unser wertvolles Leben, das in Gott geborgen ist, auch wenn wir seine Gegenwart nicht immer spüren, wie wir es uns vielleicht ersehnen. Gott sieht uns und begleitet uns, wo auch immer wir uns auf unserem Lebensweg befinden. An uns ist es, zu leben, für uns und andere und schließlich für Gott.

Sunnive Förster, Krankenhausseelsorgerin in der UEK Aurich