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6. März 2022 Sehnsucht

Ich habe Sehnsucht, Sehnsucht nach Sonne, Sehnsucht nach blauem Himmel, Sehnsucht nach Blumen, Sehnsucht nach Aufbruch und vor allem Sehnsucht nach guten Nachrichten. Doch so laut ich diese Sehnsucht auch hinausrufe, ich bekomme keine Antwort, nur Stille. Vielleicht kommt sie ja  erst im nächsten Jahr? Ich weiß es nicht. Das Leben scheint still zu stehen, in diesen Tagen. Wir befinden uns in einer Pause. Einer bedrohlichen Pause, um eine Herausforderung zu bewältigen, von der vor ein paar Monaten noch niemand etwas ahnen konnte. Und wir werden sie bewältigen. Da bin ich mir sicher, als Gesellschaft und als Gemeinschaft. Doch um das zu schaffen, brauchen wir den Frühling, nicht unbedingt den meteorologischen Frühling, sondern den Frühling als Gefühl, den Frühling als Hoffnungsbild. Den Frühling als Symbol dafür, dass nach jedem Winter, egal wie lange er auch andauert, das Leben wiedererwacht, die Blumen sprießen, die Vögel singen, die Freude sich einstellt, die Energie zunimmt und das Licht erstrahlt. Noch ist von diesem Frühling nichts zu spüren. Doch ich bin ganz sicher, dass er kommt und dass wir irgendwann wieder in die Worte des weisen König Salomo einstimmen können: „Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist weg und dahin; die Blumen sind hervorgekommen im Lande, der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube lässt sich hören in unserm Lande.“

Während ich diese Zeilen schreibe, sehe ich immer wieder die schrecklichen Bilder aus der Ukraine im Fernseher und ich versuche immer wieder, meine Freunde in Kiew zu erreichen…

Da fällt es schwer, nicht auch in Resignation und lähmende Angst zu fallen.

Da fällt mir meine Großtante ein, auch sie musste fliehen. Mit vier kleinen Kindern machte sie sich aus Lwiw (damals Lemberg) auf den beschwerlichen Weg in Richtung Westen. Und sie hat es geschafft, allerdings überlebten nur drei der Kinder den Treck. Als ich sie einmal fragte, wie sie das denn überhaupt ertragen konnte, lächelte sie mich an und sagte leise: „Ach Elske, ich habe mein Leben lang an Gott geglaubt, auch wenn ich ihn nicht immer gleich gespürt habe. Jeden Abend und jeden Morgen habe ich ihn für mich und meine Kinder gebeten und mich bedankt für all die Situationen, in denen wir bewahrt geblieben wurden. Das hat mir innere Ruhe und Kraft gegeben.“

Diese Worte hatten eigentlich immer eine große Bedeutung für mich, aber manchmal rückten sie doch ziemlich in den Hintergrund. Heute werde ich sie mir in großen Buchstaben aufschreiben und ausdrucken. Vielleicht ist das ja für uns alle, hier in „weiter Ferne“ und doch so nahe, eine Möglichkeit, auch mit der augenblicklichen Situation umzugehen.

Elske Oltmanns, Pastorin in Bagband