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19. Februar 2023 Echt sein vor Gott

Dieses Wochenende ist das letzte Wochenende vor der Passionszeit, oder wie wir, aus dem Rheinland stammende, sagen: Karnevalswochenende. Karneval oder Fasching– hierzu Landen nur wenig oder gar nicht zu finden. Für alle Jecken, wie man im Rheinland sagt, für alle Narren, eine Zeit, in der man ganz legitim verrückt sein darf. Man darf laut lachen und singen, ohne dass einen jemand schief ansieht. Man darf sich verkleiden, anders aussehen und niemand schüttelt den Kopf. Aber wie bei so vielen Dingen, scheiden sich auch hier die Geister. Es gibt die absoluten Karnevalsfans und die, die mit Fasching gar nichts anfangen können und sich hierher in den Norden oder in den Schnee flüchten.

Die Frage, die sich mir stellt, ist: Was ist denn das Faszinierende daran, sich zu verkleiden? Indem ich mich verkleide gebe ich mich als jemand anders, als ich es sonst bin. Einmal in die Rolle von jemand anderem schlüpfen. Kinder lieben das Verkleiden besonders, einmal Prinzessin, Cowboy oder Pirat sein. Das ist das Faszinierende an Masken: es ist fast, als würde man unter ihnen auch ein anderer Mensch. Man kann sich Dinge trauen, die man im Alltag niemals täte. Mit der Maske bekommen wir ein anderes Gesicht. Und mit dem anderen Gesicht meint manche/r, ein anderer Mensch zu werden. Vielleicht wollen manche eine Seite von sich sehen lassen, die sie sonst nicht wagen zu zeigen. Vielleicht wünscht der eine oder die andere sich so sein zu können, wie sie oder er es unter der Maske sind.

Das tut unter Umständen gut. Denn manchmal würden wir gerne aus unserer Haut hinaustreten, wären gerne ein wenig hübscher, interessanter oder auch selbstbewusster und respekteinflößender. Wir wollen vielleicht nicht von den anderen so behandelt werden, als würden sie uns schon längst auf eine Rolle festgelegt haben. Ach ja, die Frau A, die ist doch immer so ängstlich, so griesgrämig, so schüchtern. Wir fragen uns, so manches Mal vielleicht zu Recht: wer kennt und liebt mich eigentlich so, wie ich bin? Mein Partner, meine Partnerin, meine Familie, meine Freunde? Vielleicht in Wirklichkeit nur der, der uns genauso, wie wir sind, geschaffen hat. Der unsere Stärken und Schwächen haargenau kennt. Der sich wünscht, wir würden all das entwickeln können, was er in uns gelegt hat. Und der gleichzeitig aber auch die Hindernisse sieht und unser Unvermögen und uns trotzdem nicht fallenlässt. Gott.

Ein Gott, der uns sieht und uns liebt, genauso wie wir sind. Ein Gott, für oder vor dem wir keine Maske aufziehen müssen, vor dem wir echt sein dürfen, weil er uns annimmt, mit allem, was zu uns gehört. Was für ein Geschenk!

Susanne Triebler, Pastorin aus Moordorf