Zuerst sah es aus wie ein Abschied für immer. Seine Freunde fanden noch keinen rechten Trost in seinen letzten Worten. Er würde immer bei ihnen sein, hatte er gesagt. Aber gegangen ist er trotzdem. Wusste er nicht, wie ihnen zumute war? Hatte er doch selbst diesen Weg gewählt, um bei uns Menschen zu sein, steckte ein Leben lang in unserer Haut. Nahbar, verletzlich, dünnhäutig.

Wie gerne wäre ich diese dünne Haut los, hätte ein dickes Fell und könnte frei sein von unvorhersehbarer Empfindsamkeit, von heimtückischen Schmerzen. Erst recht, wenn uns solche Schläge erschüttern wie der tödliche Unfall des 16jährigen Jungen am Montag vor dem Auricher Gymnasium. Wenn das Leben uns so mürbe macht wie in diesen Tagen.
Er aber hat diese Empfindsamkeit einer himmlischen Zukunft gewürdigt und seine dünne Haut, von Wundmalen gezeichnet, mitgenommen in die Ewigkeit. Er ist nach wie vor derselbe, ist auch als König zur Rechten des Vaters nicht weit weg, sondern so nahbar und einfühlsam wie zuvor.
Ist das scheinheilig? Hat er noch ein Recht dazu, mit uns zu fühlen? Hätte er dann nicht seine Hand ausstrecken und den tödlichen Unfall verhindern müssen? Ich weiß es nicht. Aber er kennt diese unsägliche Hilflosigkeit, die bohrende Frage nach dem Warum, die doch durch keine Antwort gestillt werden kann. Er hat sie selbst durchlitten, als er am Kreuz hing und schrie: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“
Vielleicht ist das unsere Chance, menschlich zu bleiben, weil er es schon immer ist. Dieses Leben geht bei ihm nicht verloren. Die Tränen, die wir hier weinen, werden bei ihm nicht weggewischt, sondern liebevoll getrocknet. Die dünne Haut ist auch für einen Händedruck, für eine Umarmung, für die sanfteste liebevolle Berührung empfänglich, wenn alle Worte versagen. Jesus war Mensch, mit Haut und Haar, und ist es voller Überzeugung. Ich will versuchen, es auch zu sein.
Helge Preising, Pastor im Kirchengemeindeverband Aurich, helge.preising@evlka.de, 04941 982110,