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Predigt zur Sommerkirche 2021

24 »Wer diese Worte von mir hört und sie befolgt,
ist wie ein kluger Mann:
Er baute sein Haus auf felsigem Boden.
25 Dann kam ein Wolkenbruch.
Die Flüsse traten über die Ufer,
die Stürme tobten und rüttelten an dem Haus.
Doch es stürzte nicht ein,
denn es war auf felsigem Untergrund gebaut.
26 Wer diese Worte von mir hört und sie nicht befolgt,
ist wie ein dummer Mann:
Er baute sein Haus auf sandigem Boden.
27 Dann kam ein Wolkenbruch.
Die Flüsse traten über die Ufer,
die Stürme tobten und prallten gegen das Haus.
Da stürzte es ein und fiel völlig in sich zusammen.«

Liebe Radiohörerinnen und –hörer! Liebe Sommerkirchengemeinde!

Ich bekomme ein Foto auf mein Handy. Ein Mann mit schlammverschmiertem T-Shirt. Es ist mein Schwager Jörg, der seiner Mutter in Bad Neuenahr-Ahrweiler hilft aufzuräumen. Die Flut hat nicht alles, aber vieles weggespült. Ein trauriger Anblick. Und doch ist da Hilfe.
Ein Lichtblick in Trümmern. Man kann den Menschen dort nicht vorwerfen, dumm zu sein, auf Sand gebaut zu haben. Sie wohnen dort seit Jahrzehnten. All die Jahre schien es, sie hätten auf festen Fundamenten gebaut. Bis zu diesem einen Tag.

Die Tatsachen unserer Tage scheinen schlimmer zu sein als das Gleichnis vom Hausbau, das Jesus am Ende der Bergpredigt erzählt. Selbst das auf festes Fundament gebaute Haus stürzt ein. Die materiellen Schäden sind so riesig, dass Versicherungen und selbst der Staat an Grenzen kommen. Und die seelischen Belastungen?

Sie sind auch enorm. Es ist verstörend. Wie zerbrechlich unsere menschlichen Fundamente sind, erleben wir gerade in diesen Tagen. Was sicher schien, ist plötzlich nicht mehr sicher.
Es ist so traurig. Es rührt auch viele Menschen an. Vielleicht schwingt auch die Angst mit:
Es kann jeden von uns treffen. Überall. Auch hier. Die Hilfsbereitschaft ist auch riesig. Gott sei Dank! Auf was kann ich noch fest bauen?

Ich brauche doch so eine Art Grundvertrauen für mein Leben:
Dass das Haus hält, in dem mein Bett steht.
Dass die Menschen, die ich lieb habe, auch morgen noch da sind.
Dass die politischen Rahmenbedingungen, in denen ich lebe, dass die demokratische Grundordnung stabil ist.
Dass das tägliche Brot mir heute gegeben wird.
Dass sind doch fundamentale Grundlagen, auf denen unser Lebenshaus gebaut ist.
Und ich merke: So sicher ist das alles doch nicht.

Die Bilder der Flutkatastrophe in NRW und Rheinland-Pfalz und die Folgen für die Menschen in der Region erzählen zugleich noch eine ganz andere Geschichte. Sie erzählen vom Ende einer Lebensweise. Es ist nicht klug, so weiter zu leben wie bisher. Es ist nicht klug, sich damit beruhigen, dass das Unglück ein paar hundert Kilometer entfernt ist. Es reicht nicht, sich damit zu beruhigen, dass Aurich auf einem Geestrücken liegt und bei starken Überflutungen mit Wiesmoor als einziges Gebiet in Ostfriesland trockene Füße behält. Wir können nicht vergessen, dass in immer kürzeren Abständen Wälder brennen, extreme Hitze und Dürre herrschen, Hunger, Not und Verzweiflung an immer anderen Orten und längst überall Leben gefährden und töten.

Vor drei Tagen, am vergangenen Donnerstag, dem 29. Juli, also 5 Monate vor Jahresende, war der Weltüberlastungstag. Die Menschen haben sämtliche biologische Ressourcen aufgebraucht, die uns die Erde dieses Jahr zur Verfügung stellt. Jetzt geht es an die Substanz. Alle Fische, die gefangen werden, wachsen nicht mehr nach. Alles Kohlendioxid, was ausgestoßen wird, kann nicht mehr von Wäldern und Ozeanen gebunden werden. Es ist nicht klug, weiter zu machen wie bisher. So zerstören wir unsere eigenen Lebensgrundlagen.

Fragen wir uns:
Auf was kann ich denn noch fest bauen?
Auf welchem festen Fundament können wir leben und überleben?
Die Bildergeschichte am Ende der Bergpredigt vom Hausbau auf Sand oder auf Felsen beinhaltet ja eine Gegenüberstellung dummen und klugen Handelns.
Gucken wir auf die kluge und Mut machende Seite.

Jesus sagt:
»Wer diese Worte von mir hört und sie befolgt,
ist wie ein kluger Mann:
Er baute sein Haus auf felsigem Boden.
25 Dann kam ein Wolkenbruch.
Die Flüsse traten über die Ufer,
die Stürme tobten und rüttelten an dem Haus.
Doch es stürzte nicht ein,
denn es war auf felsigem Untergrund gebaut.

Die Bergpredigt ist eine kluge, mitreißende Rede. »Wer diese Worte von mir hört …“ Das Hören steht an erster Stelle. Wo geschieht das heute überhaupt noch? Hier im Gottesdienst. Sonst fast nirgends. Religiöse Neugier gehört dazu. Man kann nicht sagen, dass dies eine ausgeprägte Charaktereigenschaft unserer Zeit ist. Ich glaube fest, dass diese „religiöse Demenz“ unserer Gegenwart nicht gut tut. Umso besser, dass wir heute hier darüber nachdenken.

Im Blick auf die Bergpredigt will ich vier Hauptaussagen nennen, mit denen wir ein festes Fundament haben:

Felsenfest gilt und darauf kann ich mich verlassen: Wir alle sind bei Gott persönlich anerkannt. Am Anfang der Bergpredigt stehen die Seligpreisungen. Gottes besondere Nähe gilt denen, die traurig sind. Sie sollen getröstet werden. Trost können wir manchmal nicht in uns selbst finden. Das Leben kann uns so viel zumuten, so viel Schweres, persönliche Schicksalsschläge, dass das Leben schier unerträglich scheint. Dann braucht es andere Menschen, die uns halten und Worte, an die wir uns halten können, Worte, die wir uns selbst nicht sagen können, Worte, die manchmal weiter greifen als wir im Moment verstehen können. Dass da Hoffnungen und Kräfte kommen können, die uns und unserem Empfinden noch weit voraus liegen, die wir jetzt noch gar nicht ahnen. Dass Hoffnung und Leben am Ende stärker sind als die Erfahrung des Leidens und des Todes.

Das Himmelreich gehört denen, die wissen, dass sie vor Gott nicht mit ihren Leistungen punkten brauchen, sondern einfach so angenommen sind: Einfach weil du es bist. Das Himmelreich gehört denen, die andere Menschen im Blick haben, die im Schlamm mit aufräumen, die sich stark machen für die jetzt gerade Hilfe brauchen, für die Vergessenen, für die, man so leicht übersieht. Gott ist denen nahe, die barmherzig sind und denen, die Frieden stiften, denen, die sich auch beschimpfen lassen, weil sie für eine gerechte Sache sich einsetzen. Gott ist all denen nahe, die nichts zu bieten haben außer der Sehnsucht danach, dass es auf dieser Erde anders zugeht als bisher: dass alle Menschen zu ihrem Recht und zur Lebensfreude kommen. Darauf können wir uns jederzeit fest verlassen.

Eine felsenfeste Grundlage ist auch, Gottes Willen ernst zu nehmen. Dazu gehört, das Leben aller anderen zu schätzen, ihre Würde für unantastbar zu achten, nicht nur derer, die uns ohnehin nahe sind, nein, sogar derer, die uns völlig fremd sind. Das ist neu. Liebt eure Nächsten! Liebet euch selbst! Ja, aber auch dies: Liebt auch eure Feinde! Wenn er dich schlägt, halte auch die andere Backe hin. Mach nicht mit im Kreislauf ständiger Steigerung der Konflikte! Durchbrich alte Muster! Solch ein verblüffendes Handeln kann Leben völlig verändern, öffnet Türen, kann eine neue Vertrauensbasis schaffen. Gottes Willen ernst nehmen.

Beten
Himmelhochjauchzend – zu Tode betrübt:
Eine Standleitung zu Gott ist immer für mich offen. Ich brauche nicht viele, noch nicht mal eigene Worte: So sollt ihr beten, sagt Jesus: „Vater unser im Himmel.“
Damit ist schon alles gesagt. Klagen, danken, loben, bitten –
„Mein Gott, warum hast du mich verlassen“;
„Dein Wille geschehe.“;
„Vergib uns unsere Schuld.“;
„Ich lobe meinen Gott von ganzem Herzen…“;
Alle Facetten des Lebens haben Platz im Gebet. Oder einfach in der Stille Gott das Leben hinhalten – niemand kann uns das in unserem Leben nehmen. Es kann Zeiten geben, da ist genau dies, beten zu können, Menschen der einzige Trost.

Felsenfest gilt auch: Es ist genug für alle da! Seht euch die Vögel an! Sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln keine Vorräte in Scheunen. Trotzdem ernährt sie euer Vater im Himmel. Seid ihr nicht viel mehr wert als sie? Nachhaltig leben, die Güter gerecht verteilen – die Erde gibt genug für alle her. Der Schöpfer hat das wunderbar eingerichtet. Nur wir selbst können das Gleichgewicht stören, wenn wir mehr wollen als das tägliche Brot. Das alles kann durch ein ganzes Leben tragen, durch Stürme, Wolkenbrüche und Fluten. Ein festes Fundament.

Manchmal wird dieser Grund trotzdem wanken. Glaube an Gott heißt nicht, dass man nie an Grenzen kommt oder dass man alles mit Leichtigkeit schafft. Das ist bei mir nicht so und bei Euch sicher auch nicht. Aber der Glaube an Gott ist wie ein Zuhause, ein festes Haus mit starkem Fundament, wo ich an glücklichen Tagen meinen Dank ausspreche und singe, wo ich in stürmischen Zeiten einkehre und klage und flehe und Kraft suche für meine Seele. Da ist er für uns da. Darauf können wir bauen. Felsenfest.

Amen.