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Predigt zu Neujahr 2021

Zu Beginn seiner Wirksamkeit kommt Jesus auch in seinen Heimatort Nazareth. Heute am Neujahrstag hören wir aus dem Kapitel des Lukasevangeliums, was dort geschah.

Jesus kam auch nach Nazareth, wo er aufgewachsen war. Am Sabbat ging er wie gewohnt in die Synagoge. Er stand auf, um aus den Heiligen Schriften vorzulesen. Man reichte ihm die Schriftrolle mit dem Propheten Jesaja. Jesus rollte sie auf und fand die Stelle, wo geschrieben steht:

»Der Geist des Herrn ruht auf mir, denn der Herr hat mich gesalbt. Das ist mein Auftrag: Den Armen soll ich die Gute Nachricht bringen. Den Gefangenen soll ich ankündigen, dass sie frei werden, und den Blinden, dass sie sehen werden. Den Unterdrückten soll ich die Freiheit bringen. Ich soll verkünden: Jetzt beginnt das Jahr, in dem der Herr Gnade schenkt.«

Jesus schloss die Schriftrolle wieder, gab sie dem Synagogendiener zurück und setzte sich.
Alle Augen in der Synagoge waren gespannt auf ihn gerichtet. Da sagte er zu den Anwesenden: »Heute – in eurer Gegenwart – ist dieses Schriftwort in Erfüllung gegangen.«
Alle spendeten ihm Beifall. Sie staunten über die Botschaft von der Gnade, die er verkündete.

Liebe Gemeinde hier in der Lamberti-Kirche! Liebe Radiohörerinnen und –hörer!

2021 – offen und unbeschrieben liegt dieses Jahr heute vor uns. Ich möchte gerne neugierig hineinhorchen: Was mag es uns bringen?

Im Persönlichen: Bleiben wir gesund? Werden wir einander am Jahresende noch haben dürfen? Wie geht es mit meiner Arbeit? Wie wird es den Kindern ergehen? Kann ich alleine in meiner Wohnung bleiben? Oder muss ich in ein Heim? Meine Pläne – werde ich sie in die Tat umsetzen können? Und im Großen: Wie geht in unserem Land weiter? Und mit den Konflikten in der Welt? Mit Not und Armut?

„Jetzt beginnt das Jahr, in dem der Herr Gnade schenkt.“, sagt Jesus bei Lukas.

2021 – ein Gnadenjahr. Für uns. Was für eine Vision. Kein Seuchenjahr. Ein Gnadenjahr. Heute – am 1. Januar – dieses Wort von Jesus. Es ist seine Antrittspredigt in seiner Heimatsynagoge in Nazareth. In diesen Worten verdichtet sich sein Weg: Wofür er steht – wozu er kommt. Sein Programm. Mit ihm beginnt eine neue Zeit. „Heute“ sagt Jesus bei Lukas. Heute – das kommt bei ihm immer wieder vor.

„Euch ist heute der Heiland geboren. Heute ist deinem Haus Heil widerfahren“, sagt er zum Zöllner Zachäus. Und noch im Sterben sagt Jesus am Kreuz zu einem Verbrecher: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“

Heute erfüllt sich hier Gottes Verheißung. Das klingt verrückt. Kompromisslos. Atemberaubend modern. Gnade ist das Wort dieses Jahres. Aber wo erfüllt sich was? So viel ist doch aus dem Lot. Bei vielen. Das innere Gleichgewicht. Die Haut ist dünn. Angst greift seuchenhaft um sich. Warten wir nicht heute immer noch genauso auf bessere Zeiten wie zu Jesajas Zeiten, wie zu Jesu Zeit, wie zu allen Zeiten? Wo ist das Gnadenjahr?

Jesus sagt es unbeirrt. Heute erfüllt sich das. In mir. Mit mir ist es da. Die Armen, die, die Trost suchen, die Mut brauchen, die eine Perspektive für sich suchen, die ängstlich sind:
ihr sollt hören, ihr sollt sehen:
Heute ist hier der Anfang von etwas ganz Großem, etwas ganz Neuem. Nein, mit Jesus hat sich die Welt nicht von einer Stunde auf die andere schlagartig verändert. Aber eine andere Sicht wird möglich. Seine Worte verändern Menschen. Sie beflügeln den Glauben: es kann wirklich gut werden. Und in der Tat: Wir erleben es doch gerade:

Wir nehmen Rücksicht. Wir schützen uns und andere. Wir schulen unser Einfühlungsvermögen. Gemeinsam können wir eine Riesenaufgabe bewältigen. Diese Herausforderung betrifft uns alle. Alle Welt sogar. Nur miteinander können Heil und Frieden und Gerechtigkeit und Gesundheit sich durchsetzen. So viele engagieren sich heute für Kranke, für Alte, bleiben bei Sterbenden. Teilen Zeit. Teilen Geld. So viele helfen bescheiden und unspektakulär, für die Jesu Worte Programm sind. Viele Menschen lassen sich auch heute von Jesu Worten verändern. Sie hören nicht auf daran zu glauben, dass es eine andere Sprache gibt als Gewalt und Egoismus und das Recht des Stärkeren.

Ich habe in den Tagen vor Weihnachten mit den Ehrenamtlichen der Auricher Tafel Gottesdienste in vier Kirchen, in Victorbur, in Mittegroßefehn, in Marx und hier in
der Lamberti-Kirche gefeiert. Es sind fast 200 Mitarbeitende, die Woche für Woche
für über 1000 Tafelkunden in vier Regionen Lebensmittel bereitstellen. Da erfüllt sich heute das Programm Jesu.

Die, die es jetzt gerade brauchen, werden gesehen und bekommen, was sie gerade jetzt
brauchen. Da, wo Menschen einander sehen und sich einander annehmen, wo Kranken geholfen wird, Menschen in Not wahrgenommen werden, wir für sie beten und sie mit unserer Zeit und unserem Geld öffentlich unterstützen, da erfüllt sich heute Jesu Geist und Programm. Wir sind diejenigen, die es heute hier hören. Wir wollen dafür sorgen, dass dieses Wort 2021 nicht in Vergessenheit gerät.

Ich bin überzeugt:
Hier in Aurich und überall gibt es Menschen, die fest glauben, dass unser Alltag durch Gottes Geist verändert werden wird. Es braucht hier Menschen, die davon ein klares Bild vor Augen haben, wie Gottes Welt hier aussehen soll. Es braucht uns! Es braucht Menschen, die laut von ihrem Glauben erzählen, damit Gott nicht in Vergessenheit gerät.
Es braucht Menschen, die vom tragenden Grund in ihrem Leben erzählen, der auch Zweifel erträgt. Die die Lust verspüren, für etwas Gutes zu kämpfen. Es braucht uns!

2021 – „Jetzt beginnt das Jahr, in dem der Herr Gnade schenkt.“
Es ist das Erste, was wir hier in Lamberti hören. Es ist das Beste, was wir hören können. Gottes Gnade geht mit uns. Das wollen wir im Herzen bei uns tragen. Das wollen wir weitersagen an unsere Lieben, an unsere Nächsten, an die, die es so brauchen, an die, die es gar nicht glauben können. An die, die einsam sind, an die, die arm dran sind. An die, die verblendet sind in Verschwörungstheorien. An die, die alle Freude verloren haben. Mag sein, wir sind verrückt, das zu glauben. Ich staune wie die Menschen am Ende in Nazareth, die Jesus hören. Für mich haben diese Worte Jesu heute eine enorme Kraft. Jetzt beginnt für Dich das Jahr, in dem der Herr Dir Gnade schenkt.

Dieses Jahr wird uns alle wieder vor große Herausforderungen stellen. Wir gehen von guten Mächten wunderbar behütet und getröstet in dieses neue Jahr. Das macht uns stark.

Amen.