Der Tod war da. „Sie fehlt mir jeden Tag.“ Alles liegt noch da als würde sie gleich durch die Tür kommen. Aber sie kommt nicht. „Es ist so still. Ich könnte mit dem Kopf gegen die Wand schlagen“, sagt ihr Mann todtraurig. Der Tod schafft eine trostlose Leere. Wer Bitteres erlebt, fühlt sich leicht außen vor. Da hilft es nichts, wenn man gesagt bekommt: „Versuch doch mal, für drei Tage Deinen Kummer zu vergessen.“ Oder: „Sieh doch mal das Gute.“ Das ist kein Trost, nicht einmal billiger Trost. Da wird Einsamkeit noch einsamer und Untröstlichkeit noch untröstlicher.

Wie geht das – trösten? Alten Geschichten können wir das ablauschen. Hiob zum Beispiel. Er hat alles verloren: seine Familie, seinen Besitz, seine Gesundheit. Dort hören wir von dem jüdischen Ritual einer siebentägigen Trauer nach dem Tod. Seine drei besten Freunde verabreden, „hinzugehen, ihm zuzunicken und ihn zu trösten.“ Es wird geschildert, dass sie ihn gar nicht wiedererkennen und weinen. Sie zerreißen ihr Obergewand. Dann setzen sie sich zu ihm auf die Erde – sieben Tage und sieben Nächte lang. Keiner spricht ein Wort zu ihm, „denn sie sahen, dass der Schmerz sehr groß war.“
Wer Trost braucht, ist oft nicht wiederzuerkennen. Hiobs Freunde lassen sich davon nicht abschrecken. Sie wechseln nicht die Straßenseite, wenn der frisch verwitwete Nachbar kommt. Sie zerreißen ihre schöne Kleidung, sind solidarisch, hocken sich mit ihm in den Dreck, halten den Mund, halten die beklemmende Situation aus. Keine Fragen. Keine Ratschläge. Sie achten die Würde seiner Trostlosigkeit.
Trösten beginnt damit, dass man sich Zeit nimmt. Trösten geht nicht auf die Schnelle. Trösten kann nur, wer weiß, dass er nicht mit allem allein fertig wird und nicht für alles eine Lösung hat.
Oder diese Geschichte nach Karfreitag. „Weißt du noch?“ Zwei Jünger gehen einen gemeinsamen Weg. Kilometerlang laufen von Jerusalem nach Emmaus. Unterwegs erzählen sie, was sie vorher alles mit ihrem getöteten Freund erlebt haben und. Sie „erinnern“ sich. So viele Erlebnisse tragen sie in sich. Sie spüren: So viel bleibt. Es lebt in uns weiter. Und es ist ihnen, als wäre der Verstorbene plötzlich selbst dabei. So eng verbunden zu sein, tut gut. Es bleibt Teil ihres Lebens. Wo sie vorher untröstlich waren, wird die Ahnung wach: Was ich in mir trage, weckt eines Tages in mir neue Lebenskräfte. Ich empfinde Appetit auf neues Leben. Mein Weg geht weiter. Ja, ganz anders. Und doch wie ein neuer Morgen. Und dann aufstehen. Aufleben. Ostern.
Tido Janssen, Superintendent im Kirchenkreis Aurich