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17. Juli 2022 Ich muss mal

Kennen Sie das auch? Sie wachen morgens auf und denken erst einmal darüber nach, welcher Wochentag heute ist, Wochenende oder Arbeitstag? Und dann folgt in 99 % solcher Fälle die erschlagende Erkenntnis: ich muss aufstehen, es ist ein ganz normaler Wochentag und ich muss zur Arbeit. Schon ist die gute Laune und eine Menge Energie dahin.

Während wir bei den Dingen, die wir dürfen, doch vor Freude und Tatenkraft nur so strotzen.

Sagen Sie doch mal abends ihren Kindern: „Ihr dürft länger aufbleiben.“, das weckt garantiert ungeahnte Energiereserven, wobei der Satz: „Heute musst du munter bleiben, wir werden heute Abend noch Mathe üben.“, wahrscheinlich eine ganz plötzliche Müdigkeitsattacke auslösen wird.

Das Wort müssen könnte daher getrost aus unserem Wortschatz gestrichen werden. Wie viel einfacher wäre unser Leben, wenn wir uns sagen könnten: „Ich darf morgens aufstehen, zur Arbeit gehen, ich darf in die Schule gehen, darf einen Haushalt versorgen und eine Familie. Stellen Sie sich doch mal vor, wie es wäre, nicht müssen zu dürfen: keine Arbeit zu haben, keine Familie zu versorgen, keine Verantwortung für sich und andere zu übernehmen. Manch älter gewordener Mensch wünscht sich so manches Mal, noch einmal etwas müssen zu dürfen. Denn jetzt muss ich vielleicht nicht mehr, aber ich kann oder darf eventuell auch gar nicht mehr.

Aber wenn wir im Alltagsstress gefangen sind, können wir uns das nicht vorstellen. Wir sind zu sehr mit dem müssen beschäftigt. Und dadurch kommt ein Wort immer wieder zu kurz bei uns. Ein Wort, das uns viele Dinge leichter machen würde: das Wort Dankbarkeit! Irgendwie ist es aus der Mode gekommen, warum eigentlich? Sind unsere Gesundheit, unser Partner, unsere Partnerin, unsere Familien, unsere Arbeitsstelle alles Selbstverständlichkeiten?

Sie sind es nicht und wir merken das meistens erst dann, wenn uns eines der genannten Dinge verloren geht. Dann sind wir ganz schnell dabei, uns zu beschweren.Wir dürfen müssen, vielleicht müssen wir manchmal genauer hingucken, wie viel Gutes uns geschenkt wird. Dann wird Dankbarkeit eventuell doch wieder zu einem Wort, das zu unserem Sprachgebrauch gehört.

Susanne Triebler, Pastorin an der Martin-Luther-Kirche in Moordorf