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02.07.2023 Moment Mal

Was für eine wunderbare Erfindung: das Fernglas. Im Urlaub habe ich es gern dabei. Man kann sich Landschaften genauer ansehen oder die Boote auf dem Wasser. Was für unser Auge klein und kaum zu erkennen ist, kann das Fernglas nah und groß heranholen. Das ist toll.

Man kann auch Leute beobachten. Das geht auch ohne optische Ferngläser. Dafür haben wir so etwas wie ‘innere Ferngläser’. Mit ihnen beobachten wir die Menschen um uns herum. Wir sehen ganz genau, was sie tun und was nicht – und manchmal auch noch mehr. Und wir wissen auch genau, ob das gut ist oder nicht. Oft ist es ja nicht so gut. Oft gibt es ja einiges auszusetzen an dem, was die anderen Leute so treiben. Denn sie sind ja wirklich unvollkommen – die anderen Leute. Und wenn man mit mit Freunden zusammen kommt, muss man denen davon erzählen. Das müssen sie ja wissen, was von den Leuten zu halten ist. „Hast du gesehen … hast du gehört …“

Natürlich haben wir auch unsere Fehler, so wie eigentlich jeder. Aber auch da hilft einem das innere Fernglas. Das kann man nämlich umdrehen, und dann sind diese Fehler alle ganz klein, kaum der Rede wert. So schlimm war das gar nicht, wir haben es ja auch nicht böse gemeint. Andere sind da ganz anders.

Jesus hat einen anderen Blick auf diese Dinge. „Seid barmherzig, wie auch euer Vater im Himmel barmherzig ist“ sagt er im Lukas- Evangelium. „Dreht das Fernglas doch um: dann sind eure Fehler ganz groß und die von den anderen ganz klein.“ Bei Lukas heißt das so: Warum siehst du den Splitter im Auge deines Mitmenschen, aber den Balken in deinem eigenen Auge nimmst du nicht wahr?

Das ist natürlich eine Provokation. Unerhört! möchte man sagen. Es gibt doch nun wirklich Unterschiede. Und es gibt auch wirklich schlimme Dinge. Aber das scheint Jesus hier nicht zu interessieren. Unabhängig von dem, was Menschen getan haben, sagt er: Geht freundlich und nachsichtig miteinander um.

Da geht es nicht um die Justiz. Da geht es darum, wie wir grundsätzlich miteinander umgehen und übereinander reden wollen. Und das kann man freundlich tun – oder bissig. Eigentlich wünschen sich die meisten Menschen ein friedliches Leben. Aber das hängt auch davon ab, wie friedlich wir selber gestimmt sind. Unfriede fängt im Kleinen an. Und dort könnten wir dem einen Riegel vorschieben. Das geht wahrscheinlich nicht immer. Aber das geht viel öfter als man denkt.

Seid barmherzig. Seht auf die Fehler der anderen nicht mit der Vergrößerung, sondern lieber umgekehrt. Das könnte schon so manches ändern.

Uwe Noormann, Pastor in Tannenhausen-Georgsfeld