Die Kita-Tür schließt sich. Sie eilt zum Auto, das am falschen Platz steht. Fahrig deckt sie die Augenringe ab. Niemand im Büro soll sie angucken und denken, dass sie nicht belastbar ist! Aber manchmal wäre es auch schön, wenn mal jemand…!
Er pumpt die Hantel zum 30. Mal. Spannt den Bizeps vor dem großen Spiegel an. Sein Coach klopft ihm anerkennend auf die gestählte Schulter. Die Hantel, die wiegt heute fast nichts. Was im Nacken drückt, ist die nächste Kreditrate. Wenn das nur niemand mitbekommt…!
Der Wunsch gesehen zu werden ist tief in uns verwurzelt! Kaum auf der Welt suchen wir den Blickkontakt von Angesicht zu Angesicht mit der Frage im Blick: Kann ich dir vertrauen?
Die Blicke werden mit der Zeit leider oft flacher: „So kannst du doch nicht rausgehen!“ Aber der Wunsch sich anvertrauen und fallen lassen zu können, einfach sein zu dürfen, wird mit der Zeit wohl tiefer, je mehr man vom rauen Wind und den Blicken dieser Welt weiß.
Sich ansehen zu lassen, das ist Vertrauenssache. Und Vertrauen ist eine Sache des Muts. Wem kannst du deine Geschichte zumuten?
Die Zahl auf der Waage kann zu hoch oder zu niedrig sein. Gewicht hat die Geschichte dahinter. Dein Wert liegt auch nicht auf dem Bankkonto!
Mit unseren Blicken und Maßen können wir uns selbst und anderen das Leben zur Hölle machen. Aber auch das Gegenteil stimmt: Wenn du jemanden mit aufmerksamem Blick ansiehst und mit offenem Ohr hinhörst, kann das ein Stück vom Himmel sein. Auch für dich selbst, wenn du erzählst! Nur Mut!
Mit den Ohren sieht man besser!
Gott wünscht sich auch von uns gesehen und verstanden zu werden. „Macht euch kein Bild von mir!“, bittet er. Er hat sich selbst das Gesicht eines Kindes gewählt. „Wer mich sieht, sieht den Vater!“, sagt Jesus später. Hinter Gott versteckt sich seine Geschichte: Geboren, aufgewachsen, gewandert, verleugnet und enttäuscht. Ähnlich wie wir, oder?
Pastorin Christiane Preising, Kirchengemeinde Aurich Walle
